Spaniens Lotterie zeigt Corona-Werbung

Veröffentlicht von Jens Pfeifer am Tuesday, 24. November, 2020

Im Zeichen der sozialen Verantwortlichkeit gelten in Spanien seit November drastische Werbebeschränkungen für private Glücksspielfirmen. Die staatlichen Lotterien sind von den Regeln nicht betroffen, so startete das Unternehmen SELAE letzte Woche eine umfassende Werbekampagne für seine Weihnachtslotterie. Brisant ist, dass sich die Reklamen auf die Coronakrise beziehen. Wie reagieren die Online Glücksspielverbände des Landes?

Eine Person mit Atemschutzmaske benutzt ein Tablet.

Die Kampagne wird über 5 Wochen lang im TV, Radio und Internet laufen. ©Engin_Akyurt/Pixabay

Die Spots für die Weihnachtslotterie, welche mit über 25 Millionen Spielern zu den beliebtesten Glücksspielformen Spaniens zählt, beziehen sich insbesondere auf die sozialen und psychischen Folgen der Pandemie. Die Themen sind Familie, Brüderlichkeit und Nachbarschaf. Portraitiert wird eine spanische Gesellschaft des Teilens – unter den Gegebenheiten sozialer Distanzierung werden Lotterielose verschenkt, zum Beispiel als Trost in Zeiten der Einsamkeit.

Laut Jesús Huerta, Präsident von SELAE, der in einer virtuellen Pressekonferenz sinkende Verkaufszahlen bemängelte, seien die Reklamen bewusst emotional gestaltet und damit tief in der spanischen Kultur verwurzelt. Das spanische Volk sei von Natur aus großzügig und solidarisch.

So zeigt einer TV-Spots eine Vater-Sohn-Geschichte: Nachdem der Vater seinem Sohn zum Abschied einen Lottoschein an einem Bahnhof der 1940er übereicht, wird dieser fortan auf allen Lebenswegen, bis in die Coronakrise, von dem Schein begleitet. Der Lotterieschein avanciert zum Zeichen des sozialen Mitgefühls, so werden parallel zwei alte zerstrittene Brüder in sozialer Isolation wieder vereint, als einer ein Los im Briefkasten findet, zugesendet vom anderen.

Beim zweiten Spot geht es um Nachbarschaft. Unter der Türschwelle findet eine jüngere Frau ein Los und eine Widmung, zugestellt von einer älteren Nachbarin in Isolation. Als beide sich überraschend auf dem Flur begegnen und anschauen, verhindert das Gebot der Distanz eine Dankesumarmung. Es fließen Tränen des Mitgefühls. Der Lotterieschein dient in beiden Fällen als Mittel zur Überwindung sozialer Distanz.

Haben Lotterien Freifahrtschein?

Dass Glücksspiele als Lösung für finanzielle oder soziale Probleme beworben werden, ist auf den regulierten Märkten Europas eigentlich untersagt. Zudem gilt in Spanien, zumindest für private Glücksspielanbieter, ein Verbot von Sportsponsoring sowie ein strenges Werbeverbot außerhalb von 01:00 Uhr bis 05:00 morgens. Die Richtlinien zur sozialen Verantwortung wurden zuletzt immer weiter verschärft.

Parallel mehrt sich die Kritik vonseiten der spanischen Branchenverbände Jdigital und Cejugeo. Die staatlichen Lotterien SELAE (und ONCE) seien von den Regelungen gänzlich befreit, während private Betreiber systematisch diskriminiert würden. Laut dem Brüsseler Industrieverband EGBA (European Betting and Gaming Association) verstoße die neue spanische Gesetzgebung sogar gegen das EU-Recht. Ein dringliches Umdenken sei erforderlich.

Kosten von 860.000 EUR

Der Verband verweis außerdem auf Daten des Werbeverbandes AEA, wonach die Lotterien 34 % aller Glücksspielwerbung ausmachen. Außerdem würden die Unternehmen die höchsten Werbeausgaben haben und 65 % der Gesamteinnahmen am Glücksspielmarkt generieren.

Wie die Verbände auf die neuesten Reklamen der Weihnachtslotterie reagieren, ist abzuwarten. Ausgeschüttet wird die rund 2,4 Millionen EUR schwere Lotterie am 22. Dezember. Für die laufende Kampagne von fünf Wochen ist im Übrigen erneut Werbeagentur Contrapunto BBDO verantwortlich, die Kosten beliefen sich auf 860.000 Euro. Der Wert liegt höher als im letzten Jahr, da die Sicherheitsaufwendungen beim Dreh größer waren. Geschaltet werden die Reklamen im TV, im Radio und online.